Im März 2020 traf die Schweizer Therapeuten eine Hiobsbotschaft, mit der keiner noch Monate zuvor rechnen konnte: bis auf weiteres durften nur noch notwendige und nicht verschiebbare Therapien in der Praxis durchgeführt werden, wie dringende Psychotherapien oder verordnete Physiotherapien. Viele Praxen schlossen daraufhin ihre Türen, völlig ungewiss wie lange der Lockdown andauern würde. In dieser ungewöhnlichen Zeit war vor allem eines gefragt: umdenken. Der digitale Einsatz etablierte sich innert kürzester Zeit. Viele Therapeuten waren gezwungen Video-Therapien anzubieten, um überhaupt noch therapieren zu können. Die einen therapierten per Video, die anderen via Telefon. In einer Umfrage von Sanasearch zum Ende des Lockdowns bestätigen 61% von 276 befragten Therapeuten, dass sie spätestens seit März ihre Angebote digitalisierten. 57% der Befragten sind der Meinung, dass Online-Therapien vor allem in den Bereichen Psychotherapie (39%) und Ernährungsberatung (18%) künftig an Relevanz dazugewinnen werden. 17% tippen auf die Bereiche Alternativmedizin und Komplementärtherapie.
Videosprechstunden sind „besser als gedacht“
Auch wenn bei einer Online-Therapie der direkte Kontakt zum Patienten fehlt, können sich viele Therapeuten die Videosprechstunde im täglichen Praxisbetrieb dauerhaft vorstellen. „Die Resonanz meiner Patienten ist sehr gut“, lautet das Fazit vieler Therapeuten aus unterschiedlichen Fachrichtungen. „Gerade in der ersten Phase des Lockdowns war die Online-Therapie sehr wertvoll.
Denn viele Patienten waren verunsichert“, meint ein Osteopath. Die flexiblere gesundheitliche Versorgung scheint einen positiven Einfluss auf die Klienten zu haben. „Die Online-Therapie fördert die Eigenverantwortung und die Eigeninitiative, Übungen vermehrt selbstständig durchzuführen“, lautet ein weiteres Feedback. Das Gespräch mit dem Therapeuten in den eigenen vier Wänden hat teilweise sogar dazu geführt, dass sich Patienten besser öffnen konnten. Der Therapeut gewinnt durch die Videotherapie Einblicke in das zu Hause und das gewohnte Umfeld der Patienten, was bei einem Praxisbesuch nicht möglich ist. Überraschend ist zudem, dass auch körperbezogene Therapieformen wie Shiatsu oder Kinesiologie gut über Video funktionieren können. „Es war erstaunlich, wie effizient, präsent und wirkungsvoll die einzelnen Sessions waren“, lautet das Resümee einer Komplementärtherapeutin aus der Umfrage. Praktisch für Patienten ist auch der wegfallende Anfahrtsweg: „Die Klienten schätzen es, wenn sie von zu Hause eine Beratung bekommen können. Sie verlieren keine Zeit für den Weg.“
Erste Prognosen
Eine Frage bleibt jedoch unbeantwortet: wird die Videosprechstunde auch in Zukunft von den Patienten dankbar angenommen oder schwindet die Nachfrage wieder? Mit 74% der befragten Therapeuten vertritt ein breiter Konsens die Meinung, dass Online-Therapien in Zukunft an Relevanz dazu gewinnen werden.
Patienten äussern den Wunsch, Videosprechstunden auch nach Corona nutzen zu können. Die Flexibilität und Unkompliziertheit sind für viele ausschlaggebende Argumente, warum Online-Therapien auch zukünftig Bestand haben sollen. Für andere Therapeuten war der Verlust der Nähe und der Vertrautheit ein nicht kompensierbarer Nachteil. „Online-Therapie ist nicht für alle Themen und Störungsbilder geeignet“, gab eine Befragte an. Genau aus diesem Grund sind einige Patienten verunsichert und bleiben den Face-to-Face Sitzungen treu. Der grösste Teil der Befragten stellt sich eine Kombination aus Online-Therapie und Therapie in der Praxis vor. „Es bedeutet für den Patienten weniger Stress von zu Hause aus an der Therapie teilzunehmen. Dennoch besteht das Bedürfnis, sich nicht nur online zu sehen. Genau die Mischung wird oft als wohltuend empfunden“, so die Erfahrung einer befragten Therapeutin. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Online-Therapie weiterentwickelt. Fest steht, dass die Videosprechstunde seit COVID-19 an Fahrt aufgenommen hat.